Keine Verjährung von Schadensersatzansprüchen im Dieselskandal?

Seit Anfang 2021 mehren sich Urteile von Oberlandesgerichten in Deutschland, die sich mit der Frage befassen, ob Schadensersatzansprüche gegen den Hersteller von Fahrzeugen im Zusammenhang mit dem Dieselskandal auch noch durchgesetzt werden können, obwohl bis spätestens Ende 2019 keine verjährungshemmenden Maßnahmen eingeleitet worden sind.

Wenngleich eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu dieser Verjährungsfrage noch aussteht, mehren sich Ansichten in der Rechtsprechung, diese Frage zu bejahen. Grund hierfür ist § 852 BGB, der eine abweichende Verjährung von insgesamt zehn Jahren für Ansprüche aus deliktischer Haftung vorsieht.

Bekanntlich hat sich der BGH im Jahr 2020 mit einer bahnbrechenden Entscheidung zu Lasten der Volkswagen AG für einen Anspruch aus § 826 BGB positioniert und geschädigten Fahrzeugerwerbern den Rücken gestärkt und Schadensersatzansprüche zugesprochen (hierzu im einzelnen: BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19). Da der Dieselskandal nun in den Jahren 2015 und 2016 maßgeblich in den Fokus der Presse geriet, war es bislang wohl überwiegende Auffassung, Schadensersatzansprüche spätestens mit Ablauf des Jahres 2019 als verjährt anzusehen, wenn Geschädigte bis dahin keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergriffen haben.

In welchen konkreten Konstellationen der Rettungsanker § 852 BGB Anwendung findet, sorgt bei Juristen derzeit für viel Diskussionsstoff. Die Ansichten sind insbesondere bei der Frage gespalten, ob das Fahrzeug direkt beim Hersteller oder auch bei einem Autohändler erworben werden durfte. Ferner diskutiert man darüber, ob es sich um ein Neufahrzeug oder auch einen Gebrauchtwagen handeln darf.

Überwiegende Einigkeit herrscht derzeit wohl zu der Konstellation, wenn es sich um ein Neufahrzeug handelt, dass direkt beim Hersteller erworben wurde. Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 09.07.2021 – 13 U 123/21) befand § 852 BGB sogar dann anwendbar, wenn es sich um ein Neuwagen handelt, der bei einem Autohändler erworben wurde. Jüngst wurde dies durch das OLG München ebenfalls so entschieden (OLG München, Endurteil vom 27.09.2021 - 3 U 1705/21). Eine klare Rechtsprechungslinie ist dennoch aber wohl nicht erkennbar.

Trotz Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB können Geschädigte unter Umständen auch zehn Jahre nach Kaufvertragsschluss gegen den jeweiligen Hersteller des Fahrzeugs vorgehen. Bei der Rechtsfolge orientieren sich viele Gerichte an § 826 BGB und sprechen Geschädigten den Kaufpreis abzüglich den Nutzungsvorteilen für den Gebrauch des Fahrzeugs zu. Es kann sich daher für viele Geschädigte lohnen, jetzt noch tätig zu werden.

Wir beraten Sie hierzu natürlich gerne.

Simon Marquardt

Rechtsanwalt

14.10.2021